18. Jun

Schicksalswahl wird zur Posse

Hongkonger Abgeordneter fügt Machthabern in Peking haushohe Niederlage zu – versehentlich

Peking. Wenn Politik ein Fußballspiel wäre, dann hätte sich in Hongkong gerade ein Eigentor auf dem Niveau der Champions-League ereignet.

Ausgerechnet bei der historischen Abstimmung über ein neues Wahlgesetzt haben sich Abgeordnete des Stadtparlaments einen Patzer geleistet, der das Ergebnis völlig verzerrt hat. Die Vertreter Pekings haben einen Wahlgang verpasst, mit dem China seine Interessen in Hongkong durchsetzen wollte. „Ich bin verstört und bedaure diese Entwicklung“, sagt die Peking-freundliche Abgeordnete  Ip Lau Suk-yee. „Ich wollte eigenhändig für das neue Gesetz stimmen.“ Dass sie die Abstimmung verpasst habe, mache sie „traurig“.

Andere Abgeordnete sprechen von einem Debakel, unprofessionellem Verhalten, einem „Fiasko“ und einem „Reinfall“. Die Posse droht jedoch eine bedrohliche Wendung zu nehmen: Hongkong stellt sich mit diesem Abstimmungsergebnis überraschend klar gegen den Willen der Machthaber in Peking. Und die haben für diesen Fall bereits Rache angedroht. Hongkong definiert sich in erster Linie als Wirtschaftsstandort – und ist damit vom Wohlwollen Chinas abhängig.

 

Die Verantwortung für den Misserfolg hat der Abgeordnete Lam Kin-fung übernommen. Er hatte seine Kollegen aufgefordert, den Parlamentssaal zu verlassen, um die Wahl zu verzögern. Damit wollte er seinem 79-jährigen Mentor die Gelegenheit geben, noch rechtzeitig zu der Abstimmung zurückzukommen. Dieser hatte sich unwohl gefühlt und den Raum verlassen. Die Abstimmung fand dann jedoch einfach ohne die 33 Abgeordneten statt, die bereits hinausgegangen waren. Das Hongkonger Parlament hat 70 Sitze. Wenn die Hälfte der Abgeordneten anwesend ist, gilt es als beschlussfähig.

 

Statt 41 Abgeordneten stimmten daher nur acht für die Neufassung des Wahlgesetzes der Stadt Hongkong, die Peking vorgeschlagen hatte, 28 waren dagegen. Aus Protest gegen eben dieses Wahlgesetz hatten Hunderttausende von Demonstranten im vergangenen Herbst die Innenstadt wochenlang blockiert. Es sollte eine Form gelenkter Demokratie für die Wahl des Stadtoberhaupts im Jahr 2017 einführen. Die politischen interessierten jungen Leute halten es für inakzeptabel und fordern echte Wahlen mit freier Aufstellung der Kandidaten.

 

Das Wahlgesetz wäre zwar ohnehin nicht durchgekommen, weil es eine Zweidrittelmehrheit benötigt. Wenn die Abstimmung regulär verlaufen wäre, hätte aber eine Mehrheit für das Vorhaben gestimmt. Für die politische Symbolik ist dieser Unterschied wichtig. Das pro-demokratische Lager triumphiert: Egal, wie das Ergebnis zustande gekommen sei – Hongkong lehne damit deutlich den Willen der Machthaber in Peking mit breiter Mehrheit ab.

 

Kommentatoren in Peking zeigten sich erstaunt über die schlechte Leistung des verlängerten Arms der Zentralregierung in der südchinesischen Stadt, die seit ihrer Rückgabe an China durch Großbritannien demokratische Sonderrechte genießt. „Wir haben viel Steuergeld aufgewendet, die Wirtschaft gepäppelt, Propagandasendungen im Fernsehen zeigen lassen, Militär in Hongkong stationiert und allgemein die Politik dort beeinflusst“, schreibt Politologe Qiao Mu von der Pekinger Fremdsprachenuniversität. „Aber an diesem kritischen Punkt haben die Zuständigen versagt und die Partei enttäuscht.“

Ein Kommentar zu “Schicksalswahl wird zur Posse”

  1. […] chinesische Zentralregierung musste bei der Abstimmung über ein neues Wahlgesetz in Hongkong eine Niederlage hinnehmen, die zum Teil der Unfähigkeit der eigenen Loyalisten zuzuschreiben ist. Damit ist die […]

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